Warum nur?

Schließlich gibt es schon jede Menge Blogs, Websites, Gesichtbücher Zwitscher- und sonstigen Kram. Also warum?
Schreiben hilft beim Nachdenken. Es zwingt einen seine Gedanken klar zu formulieren, zu überprüfen, noch einmal zu durchdenken. Gedanken sind etwas flüchtiges, wie Nebelschwaden an einem herbstlichen Morgen. Erst im Niederschreiben nehmen sie Gestalt an, treten sie aus dem Nebel hervor. Mache Gedanken halten dennoch dem prüfendem Blick in der aufgehenden Sonne nicht stand, andere mögen einen erschrecken und wieder andere lassen einen nicht los.

Natürlich kann man das ganze auch einfach in den Speicher eines Handy oder Computer tackern oder besser noch in ein Heft / Buch schreiben. Davon wird noch zu reden sein. Hier geht es aber um das warum in alles in der Welt noch so ein Blog?

Weil wir als Menschen aufeinander angewiesen sind, weil meine Gedanken nicht im luftleeren Raum entstanden sind, sondern ihre Wurzeln in den geäußerten Gedanken und Ideen anderer haben. Und so sollen meine Gedanken die Gedanken und Argumente anderer zur Zustimmung, Kritik, Ablehnung oder Weiterentwicklung herausfordern. Vielleicht im hegelschem Sinne von These-Antithese-Synthese.

Das setzt allerdings Einiges voraus.

  1. Zum einen der Autor hat wirklich was zu sagen. Sicherlich nicht alles was man hier findend hat einen tieferen Sinn. Und nicht immer sind alle Beiträge für eine tiefe Diskussion gemacht.
  2. Der Leser ist bereit erst einmal vorurteilsfrei1 wirklich zuzuhören. Mir selbst fällt es oft schwer zuzuhören. Meist läuft bei mir spätestens nach dem zweiten Satz im Kopf das Brainstorming los. Und dann muss man ja noch brav warten bis der andere fertig ist, oder? …
  3. Der Leser denkt jetzt erst einmal über das Gelesene nach und entscheidet dann, ob sein Beitrag wirklich weiterhilft, oder nur der Versuch ist, sich selbst darzustellen2. Kommt eine Diskussion in Gang ist
  4. Der Autor wiederum angehalten bei 2. einzusteigen.

So ähnlich läuft es mit der Idee von Open Source3. Einer fängt mit einer Idee für ein Programm an, ein anderer führt es weiter, ein dritter beseitigt die Bugs und wieder einer schreibt die Dokumentation. (These) Jeder kann den Quelltext einsehen, verändern und etwas dazu beitragen.

Manchmal gibt es Streit über das eine oder andere zum Programm, den Features oder es ist einfach was persönliches. Dann gibt es einen sogenannten Fork. (Antithese) Das Team teilt sich, die einen arbeiten am Original, die anderen am Fork, der dann einen neuen Namen erhält. Dann gibt es einen Wettstreit zwischen den Teams, was sich positiv auf beiden Programme auswirkt. Und mach mal , nach ein paar Monaten oder Jahren, tun sich die Teams wieder zusammen (Synthese).

Programme wie Linux, Gimp, Openoffice sind so entstanden. Das Internet wäre ohne Open Source nicht so schnell gewachsen und für alle zugänglich wie es heute ist. Der Softwareriese Microsoft will demnächst den Unterbau für sein neues Betriebssystem auf Linux umstellen. Dabei halten sie selbst ihre Quelltexte geheim.

Ich selbst habe programmieren im Wesentlichen nur am Studium der frei zugänglichen Quelltexten gelernt und arbeite heute als Programmierer beim größten deutschen Internetdienstleister. Bei dem Studium der Quelltexte wird mir immer wieder klar, wie sich die Programme aus vielen verschiedenen Software-Teilen zusammensetzt. Jeder der Beteiligten hat seinen kleinen Teil dazu beigetragen. Selbst wenn der Code schon mehrfach überarbeitet worden und keine einzige Zeile mehr original ist, hat die Idee des Gründers etwas bleibendes geschaffen.

In diesem Sinne, lasst uns diskutieren, nicht um die Wahrheit4 zu finden, sondern ihr möglichst nahe zu kommen und anderen Menschen zu helfen mit sich, der Welt und dem Leben zurecht zu kommen, wovon man selbst wiederum am meisten profitiert5.

  1. Vorurteile machen die Welt einfacher. Mir fällt auf, dass genau die Leute, die entschieden gegen Vorurteile zu kämpfen vorgeben, selbst Opfer ihrer eigenen sind. Man kann das leicht testen indem man einfach mal die gerade aktuellen Reizwörter irgendwo mit einbaut.[]
  2. Dazu fallen mir gleich 2 Sachen ein.
    Während meines Studiums hatten wir in Berlin gelegentlich Gastvorlesungen von eines »westlichen« Professors oder Professorin. Nach dem Vortrag war dann immer noch Zeit für eine Fragerunde. Da gab es dann immer den Typ des darstellenden Studenten, dessen Frage auf Selbstdarstellung abzielte oder besser noch der den Vortrag durch seine eigenen tiefsinnigen ergänzen suchte. Ich erinnere mich noch an so einen Studenten, der in der Frage versuchte sich selbst und seine eigenen Gedanken darzustellen. Aber auch das will gekonnt sein, der jedenfalls konnte es nicht 😉 Weder der Professor, noch die Zuhörer konnten verstehen was er eigentlich mit seiner Frage und Darstellung wollte. Nur aus dem rechten Blickwickel wurde die Sache verständlich.
    Die andere Geschichte handelt von einer lieben älteren Schwester in meiner Heimatstadt. Da wir nicht in die weite Welt konnten (Mauer!) kam dort die Welt in Form von Lichtbildervorträgen (das ist eine Art entschleunigtes Fernsehen) zu uns. Auch danach gab es immer eine Fragerunde. Nur da wollte keiner als erstes eine Frage stellen. Unsere liebe Schwester hatte nun die »Gabe der ersten Frage«. Nach dem Vortrag und einer kurzen Pause betretenes Schweigens meldete sie sich jeweils und stellte dann immer die »Eisbrecherfrage«. Wir hatte als Jugendliche immer eine Menge Spaß das zu beobachten.
    Zwei mal das im Grunde gleiche Verhalten, aber mit völlig unterschiedlicher Motivation: Bringt es mich weiter oder hilft es anderen? []
  3. Für jedermann zugänglichen Quellcode für Computerprogtramme[]
  4. Ich bin skeptisch in Bezug auf Wahrheit und vor allem in Bezug auf Menschen die im Besitzen derselben vorgeben zu sein. Die Wahrheit ist eine Person, die sich dem entzieht, der sich ihrer bemächtigen will.[]
  5. Man denke mal über die Sätze in der Bibel Matthäus Kapitel 16 Vers 25 unter diesem Blickwinkel nach[]

Gedanken, Baupläne, Ideen: Zeugs halt